Warum schiebt man seine Kronjuwelen in die Taschen eines ausländischen Treuhänders?

Nachdem die Schweiz auf Druck US-Amerikanischer Kreise ihr Bankkundengeheimnis aufgegeben hat, FATCA (Foreign Account Tax Compliance Act) und mit diesem den Automatischen Informationsaustausch (AIA) eingeführt hat (bei dem die USA nicht mitmachen [sic!]) und diese Kreise mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bei der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS ihre Finger im Spiel hatten, sollte einen die Verschiebung des zu verwaltenden AHV-Vermögens, in gewisser Weise sind es die Kronjuwelen des Schweizer Volkes, hin zu einem amerikanischen Vermögensverwalter (State Street) nicht übermässig überraschen.

Das tut es auch nicht. Aber als neugieriger Geist wüssten wir die wahren Gründe dafür gerne schon heute und nicht erst in 50 Jahren.

40 Milliarden Franken AHV-Gelder

Worum geht es? Die Schweizer AHV-Gelder von derzeit 40 Milliarden Schweizer Franken werden künftig von der US-Bank State Street verwaltet werden. Die UBS war über 26 Jahre lang die Depotbank für den AHV/IV/EO-Ausgleichsfonds (AHV: Alters- und Hinterlassenenversicherung, IV: Invalidenversicherung, EO: Erwerbsersatzordnung), doch 2024 hat die zuständige Behörde compenswiss den Auftrag an State Street vergeben. Diese Entscheidung wurde nach einem zweijährigen Ausschreibungsverfahren getroffen. Der Wechsel wird als Prestigeverlust für die UBS betrachtet, die weiterhin als Sub-Depotbank für die in der Schweiz gelagerten Wertpapiere fungiert.

Die UBS war in ihrer Rolle als Depotbank für die AHV-Gelder in erster Linie für die Verwahrung und Abwicklung der Finanzanlagen zuständig. Das bedeutet, dass sie nicht aktiv das Vermögen verwaltete, sondern nur die Vermögenswerte sicher verwahrte und Transaktionen durchführte. Die tatsächliche Anlagestrategie und das Management der AHV-Gelder liegt jedoch bei compenswiss, der öffentlichen Stiftung, die für die Verwaltung der Ausgleichsfonds der AHV, IV und EO verantwortlich ist. compenswiss ist also der Hauptakteur, der die Investmententscheidungen trifft und überwacht, während die Depotbank hauptsächlich administrative Aufgaben wahrnimmt.

Auch State Street übernimmt offenbar nur die Rolle der Depotbank, was bedeutet, dass ihre Hauptaufgaben die Verwahrung, Verbuchung von Dividenden und die Berechnung der Vermögenswerte sind. Sie wäre dann ebenfalls kein aktiver Vermögensverwalter im Sinne von strategischen Anlageentscheidungen. Diese Entscheidungen werden weiterhin von compenswiss getroffen, die über eine eigene Anlagestrategie und ein Investmentteam verfügt.

Die Depotbanken unterstützen lediglich bei der operativen Verwaltung der Anlagen. Aber damit lässt sich durchaus gutes Geld verdienen. Die Management Fees für das Depotbankgeschäft können stark variieren, abhängig von der Grösse des verwalteten Vermögens und den vertraglichen Vereinbarungen. Für ein Vermögen von 40 Milliarden Schweizer Franken sind die Gebühren in der Regel verhältnismässig niedrig, da es sich um institutionelles Geschäft mit sehr grossen Volumina handelt.

Einträgliche Verwahrungsgebühr 

Üblicherweise liegt die jährliche Verwahrungsgebühr (Custody Fee) für eine Depotbank zwischen 0,01% und 0,05% des verwalteten Vermögens, je nach Komplexität der Vermögensverwaltung und den vertraglichen Details. Bei einem Vermögen von 40 Milliarden CHF wären dies etwa:

  • Bei 0,01%: 4 Millionen CHF pro Jahr.
  • Bei 0,05%: 20 Millionen CHF pro Jahr.

Die globalen Umsätze von State Street Corporation beliefen sich im Jahr 2023 jedoch auf etwa 18,36 Milliarden USD, wobei der grösste Teil aus Dienstleistungen im Bereich der Depotbank, Vermögensverwaltung und weiteren Finanzdienstleistungen stammt. Der schweizerische bzw. deutsche Markt ist vermutlich ein kleiner Teil des gesamten Geschäfts, insbesondere in der Rolle als Depotbank für institutionelle Vermögenswerte.

In Anbetracht der Tatsache, dass eine Oma auch für 4 Millionen CHF lange stricken muss, hat das schweizerische/deutsche Management von State Street den Gewinn dieses Mandats sicher gefeiert.

In der Regel wird der Gewinn einer Ausschreibung immer gebührend gefeiert, denn wenn sie nicht lukrativ wäre, hätte man höchstwahrscheinlich nicht den Aufwand betrieben, an ihr teilzunehmen. Und lukrativ muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass man damit nur einen kontinuierlichen Einnahmenstrom erlangt hat (der kostendeckend sein sollte), sondern es können auch andere Gründe sein. Und an denen wären wir als Einzahler in die AHV natürlich interessiert.

Potenzielle Risiken

Da State Street uns dies wohl kaum verraten wird, könnte uns aber compenswiss oder der Bundesrat (Auftraggeber von compenswiss ist der Bund, genauer gesagt, das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), das dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) unterstellt ist) mehr dazu sagen. Denn es gibt politische Bedenken, insbesondere von Schweizer Finanzpolitikern wie Thomas Matter. Kritiker äussern die Sorge, dass die Verwahrung der Gelder bei einer US-Bank potenzielle Risiken birgt, insbesondere im Falle von geopolitischen Spannungen oder Sanktionen, die von der US-Regierung verhängt werden könnten. Obwohl es keine unmittelbare Gefahr gibt, könnten solche Entwicklungen theoretisch den Zugriff auf die Gelder beeinträchtigen.

Nachdem es zuletzt immer mehr Kritik an dieser Verschiebeaktion gegeben hat, findet sich inzwischen auf der Website von compenswiss ein Fact Sheet mit dem Namen “Fragen & Antworten: Rolle der Depotbank von compenswiss“. So begrüssenswert das auch sein mag, es liest sich eher wie eine Checkliste, in der eine Reihe von Punkten abgehakt wird. Die eigentliche Frage wird aber nicht wirklich beantwortet. Sie lautet ganz simpel:

Warum?

Warum wurde das Mandat für die Verwaltung des AHV-Vermögens an einen anderen und jetzt ausländischen Treuhänder vergeben? Was hat der alte Treuhänder (UBS) falsch gemacht? Was macht der neue Treuhänder (State Street) besser?

Im Fact Sheet heisst es (Zitat): „Im Jahr 2017 empfahl die Eidgenössische Finanzkontrolle als damalige Revisionsstelle der Ausgleichsfonds AHV/IV/EO der Anstalt, eine Ausschreibung für die Dienstleistungen der zentralen Depotbank (Global Custodian) und der Fondsleitung in Betracht zu ziehen…“

Unbeantwortet bleibt die Frage, warum die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat diesem Wunsch nachgekommen sind. Die Antwort würden sicher die meisten von uns AHV-Zahlern gerne einmal hören. Und dann bitte auch noch die Begründung liefern, warum der Treuhänder jetzt eine ausländische Bank ist.

Frage 14 im Fact Sheet “Besteht die Gefahr, dass die US-Behörden das Vermögen der Ausgleichsfonds AHV/IV/EO «einfrieren»?“ wird wie folgt beantwortet:

„Das Risiko, dass die US-Behörden die Vermögenswerte einfrieren, wurde von compenswiss im Rahmen der Ausschreibung analysiert. Der Eintritt dieses Risikos wurde als höchst unwahrscheinlich eingestuft. Die Auswirkungen eines allfälligen Einfrierens wurden für alle Bieter, ob mit Sitz in der Schweiz oder im Ausland, als ähnlich eingeschätzt.“

Wir wüssten gerne, warum das Risiko des Einfrierens von Vermögenswerten durch US-Behörden als höchst unwahrscheinlich eingestuft worden ist. Es ist anzunehmen, dass auch die Russen das Einfrieren ihrer Vermögenswerte durch Schweizer Behörden bis zum Frühjahr 2022 als “höchst unwahrscheinlich“ eingestuft haben. Sonst hätten sie diese bereits am 25. Februar 2022 noch vor dem Bankwochenende abgezogen.

BlackRock und Vanguard

Fazit: Obwohl der Drops jetzt gelutscht ist und das AHV-Vermögen, die Kronjuwelen der Schweiz, sicher in der Obhut einer ausländischen Bank liegt, werden wir uns weiterhin fragen: Wie kam es eigentlich dazu? Vielleicht lag es an den charmanten Argumenten der beiden grössten Anteilseigner von State Street, BlackRock und Vanguard, die ja schon mal gerne ein Wörtchen mitzureden haben. Da könnten die Milliarden unserer Renten ganz entspannt mit einem breiten Grinsen bildlich gesprochen über den Atlantik gewandert sein. Na dann, vielen Dank für die Verwahrung!